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Leiterplatten richtig Lagern
Die richtige Lagerung von Platinen ist für die weiteren Produktionsschritte in der Elektronikfertigung von hoher Bedeutung und sollte nicht vernachlässigt werden. Die Folgen falscher Lagerung können Delamination oder auch Lötprobleme und weitere Schäden sein.
Wir empfehlen die Lagerung nach IPC-1601.
Das Wichtigste zum Thema finden Sie hier - kurz und bündig. Weiter unten haben wir Hintergrundwissen und darunter einige Praxistipps für Sie zusammengestellt, um Ihnen unser Wissen übersichtlich zur Verfügung zu stellen. Es sind keine Auflagen, es gibt auch keine allgemeingültige Norm zur Lagerung o. Ä. . Die IPC-1601 ist ein Richtline, welche wir empfehlen.
Haben Sie in der Praxis keine Probleme durch falsche Lagerung? Gut! Dann brauchen Sie unserer Meinung nach auch nichts ändern. Dennoch ist es durchaus wichtig und interessant die Hintergründe zu wissen, wie Platinen richtig gelagert werden, damit Sie, wenn ein Fehler in der Produktion auftritt, die Ursache schnell erkennen und abstellen können und ggf. die Lagerung als Ursache ausschließen oder identifizieren können.
Deshalb empfehlen wir: Präventiv gegen Fehler und Probleme arbeiten und diese gar nicht erst entstehen zu lassen.
Wie Leiterplatten gelagert sein sollten:
✔ Umgebungstemperatur 18-22°C - Temperaturschwankungen meiden!
✔ Luftfeuchtigkeit 30-50%
✔ Idealerweise dunkel lagern
✔ In luftdichter Verpackung lagern
✔ Vakuumverpackung erst kurz vor Weiterverarbeitung öffnen
✔ Nach Verarbeitung bei Restbestand diesen idealerweise vakuumieren
✔ Maximale Lagerzeiten beachten
HAL-bleifrei: 12 Monate, chemisch Nickel/Gold (ENIG): 12 Monate, chemisch Silber: 6 Monate
✔ Trocknen: Wir empfehlen generell die Trocknung von Leiterplatten. Bei Multilayer-Boards empfehlen wir Tempern und bei Starrflex- oder Flex-Platinen muss generell immer getempert werden. Auch bei 2-lagigen Leiterplatten ist das Trocknen empfehlenswert. (Trocknen ist nicht Tempern! Für Infos dazu hier klicken.)
Hintergrundwissen
Leiterplatten-Basismaterial (FR4 und ähnliches Material) ist hygroskopisch, bindet also Feuchtigkeit aus der Umgebung und zieht diese an. Temperaturschwankungen beschleunigen die Aufnahme von Feuchtigkeit zusätzlich. Kalte Räume sind zudem meist die Räume mit der höchsten Luftfeuchtigkeit. Gerade wenn wärmere Räume wie Produktionsräume an den kalten Raum angrenzen, kann die Luftfeuchtigkeit darin sehr hoch werden. Bei extremen Temperaturunterschieden, wenn z. B. Leiterplatten im kalten Lager gelagert und kurzfristig in die oft sehr warmen Produktionsräume transportiert werden, kann sich zusätzlich Feuchtigkeit auf der Oberfläche bilden. "Wie die Brille im Winter, wenn man von draußen in einen beheizten Raum kommt." In solchen Fällen sollten Leiterplatten sich mindestens auf Raumtemperatur erwärmen. Eine Trocknung ist generell zu empfehlen.
Warum ist Feuchtigkeit überhaupt ein Problem?
Hauptsächlich wegen des Lötprozesses:
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Beim Löten wird die Leiterplatte stark erhitzt und durch die Erhitzung wird die aufgenommene Feuchtigkeit "in der Platine" mit erhitzt und verdampft. Durch die Starke Volumenzunahme in kurzer Zeit (explosionsartig) können starke Schäden wie Delamination entstehen. Ausgasungen können den Lötprozess negativ beeinflussen!
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Feuchtigkeit auf der Oberfläche wirkt sich negativ auf die Lötung aus. Lotpaste wird beim Druck oder durch Auftragen mit dem Dispenser (Jetter) über die Feuchtigkeit gelegt oder diese vermischt sich mit der Paste. Es können Voids entstehen (Lunkerbildung) oder Lötperlen, wenn Lot durch den Druck der Verdampfung auf die Leiterkarte "geschleudert" wird.
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Feuchtigkeit auf der Oberfläche führt zur Oxidation der Oberfläche. Dies beeinträchtigt die Lötung stark. Das Fließverhalten des Lotes wird negativ verändert, zudem erschwert die Oxidschicht das Verbinden mit dem Kupfer.
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Neben den Problemen im Lötprozess können Langzeitschäden, frühzeitige Alterung und falsche Funktion entstehen!
Praxis-Tipps
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Generell: Wer auf "Nummer sicher" gehen möchte trocknet immer!
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Platinen nicht im Fertigungsraum lagern, wenn dieser nicht klimatisiert ist. Oft sind die Produktionsräume während der Schicht erheblich wärmer, besonders wenn mit Reflow-Öfen gelötet wird. Im Winter wie im Sommer werden Fenster und Türen geöffnet. Dadurch verändern sich die Luftverhältnisse ständig.
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Wenn es mal richtig eilig ist - Es ist Frühjahr, Herbst oder Winter, der Paketbote kommt und die kalten Platinen müssen aus dem Paket direkt in die Produktion. Natürlich ist dieses Szenario - oder ein ähnliches - generell zu vermeiden, trotzdem kommt es in der Praxis manchmal vor. Und was ist in solchen Fällen zu tun? Wenn keine Zeit zum trocknen ist: Vakuumpackung öffnen, die Platinen heraus- und aus dem Stapel nehmen und nebeneinander verteilen und den Platinen (und am besten sich selbst) einen Moment Ruhe gönnen. Akklimatisieren und auf Raumtemperatur bringen. Nicht kalt verarbeiten! Denn gerade die kalten Platinen bilden bei direkter Verarbeitung Feuchtigkeit an der Oberfläche und auch die Löteigenschaften verändern sich deutlich, wenn die Platinen kalt sind! Vor dem Auftragen der Lotpaste die aufgewärmte Leiterplatte mit einem trockenen, fusselfreien Tuch abwischen um noch vorhandene Restfeuchtigkeit zu entfernen. Während die ersten Platinen dann in der Verarbeitung sind die anderen benötigten Leiterkarten am besten trocknen.